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Berlin – Koblenz: Etappe 0

Die Wanderung entlang der Strecke des Preußischen optischen Telegrafen von Berlin nach Koblenz beginnt am ehemaligen Standort der ersten Berliner Sternwarte in der Dorotheenstraße in Berlin-Mitte.

Um dorthin zu kommen, starte ich mit einer Einstiegsetappe:

Etappe 0: Dieffenbachstraße (Berlin-Kreuzberg) – Dorotheenstraße 27 (Berlin-Mitte)

Doch wo genau befand sich die Sternwarte überhaupt? Was ist heute noch von ihr zu sehen?

Die erste Berliner Sternwarte in der Dorotheenstraße

Im Jahr 1700 stiftete Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, die Kurfürstlich-Brandenburgische Societät der Wissenschaften, deren erster Präsident Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) wurde.

Nach der Krönung des Kurfürsten Friedrich III. zum König Friedrich I. in Preußen nannte sich die Gesellschaft ab 1701 Königlich Preußische Sozietät der Wissenschaften. Sie hatte ihren Sitz im Marstall Unter den Linden, der für die Unterbringung der Sozietät aufgestockt und auf den doppelten Umfang nach Norden bis zur Letzten Straße, der späteren Dorotheenstraße, erweitert worden war.

Die Sozietät wurde nicht aus der Staatskasse finanziert, sondern bestritt ihren finanziellen Unterhalt selbst, u.a. durch das Monopol auf Herstellung und Verkauf der Kalender im Kurfürstentum Brandenburg. Um die Kalenderrechnung den astronomischen Gegebenheiten anpassen zu können, war eine Sternwarte nötig. Von 1700 bis 1711 wurde auf dem Nordflügel des Marstalls daher ein 27 Meter hoher Turm mit drei Geschossen als Sternwartengebäude errichtet.

Der Königliche Stall und das Observatorium, aquarellierte Zeichnung von Leopold Ludwig Müller, 1824 — Bild: Attributed to Leopold Ludwig Müller / Public domain

Die offizielle Eröffnung der Sternwarte erfolgte im Januar 1711. Die Sozietät wurde 1744 von Friedrich II. zur Königlichen Akademie der Wissenschaften reorganisiert und hatte ihren Sitz bis 1752 im Dorotheenstädtischen Marstall.

Die Sternwarte wurde lange Zeit fast ausschließlich zur Kalenderberechnung genutzt; nach und nach kamen aber auch Wissenschaftler nach Berlin, die sich intensiver mit astronomischen Fragen auseinandersetzten, etwa die Mathematiker Leonhard Euler, Joseph Louis Lagrange oder Johann Heinrich Lambert. Zu diesem Zweck wurden nach und nach hochwertige – und kostspielige – Beobachtungs- und Messinstrumente angeschafft.

Im Jahr 1811 verlor die Akademie das Kalenderprivileg und wurde künftig über den Staatshaushalt sowie durch Stiftungen finanziert.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts machte sich vor allem Alexander von Humboldt um die Ausstattung der Sternwarte verdient; seinem Einfluss beim König ist es zu verdanken, dass im Jahr 1828 neueste teure Geräte angeschafft werden konnten, darunter ein Refraktor (Linsenfernrohr) aus der Münchener Werkstatt von Joseph von Fraunhofer (heute im Deutschen Museum in München ausgestellt). Mit Humboldts Unterstützung erreichte der damalige Direktor der Sternwarte, Johann Franz Encke, beim preußischen König auch den Bau einer neuen Sternwarte am damaligen Stadtrand. Bedingung war, dass die Sternwarte an zwei Abenden in der Woche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

1829 erging der königliche Auftrag zur Projektierung einer neuen Sternwarte durch den Architekten Karl Friedrich Schinkel, 1830 wurde der Ankauf eines Baugrundstücks in der Nähe des Halleschen Tores für die neue Sternwarte genehmigt. Die Grundsteinlegung erfolgte 1832, und 1835 wurde das neue Observatorium an der Lindenstraße fertiggestellt.

Der Turm der alten Sternwarte an der heutigen Dorotheenstraße  diente zwischen 1832 und 1849 als “Telegraphenstation 1″ der königlich-preußischen optischen Telegraphenverbindung von Berlin über Köln nach Koblenz.
1903 wurde der Komplex samt Turm abgerissen. Auf dem Areal des Dorotheenstädtischen Marstalls wurde von 1903 bis 1914 der Neubau der “Königlichen Bibliothek zu Berlin” nach Plänen des Architekten Ernst von Ihne errichtet, der zu der Zeit als größter Bibliotheksbau der Welt galt. Nach der Abschaffung der Monarchie in Preußen durch die Novemberrevolution 1918/1919 trug die Bibliothek den Namen “Preußische Staatsbibliothek” (heute “Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz”).

Berlin, Astronomisches Observatorium. Gemälde von Friedrich Wilhelm Klose (Ausschnitt).

Berlin, Astronomisches Observatorium. Gemälde von Friedrich Wilhelm Klose (Ausschnitt – mit Signalmast der optischen Telegrafenstation) — BIld: Friedrich Wilhelm Klose / Public Domain

 

Der Weg zur Dorotheenstraße führt am Standort der zweiten Berliner Sternwarte vorbei

Da der Nachfolgebau nicht allzu weit von meiner Wohnung entfernt am Halleschen Tor errichtet worden war, führt mein Weg sinnvollerweise daran vorbeit:

Die Neue Berliner Sternwarte wurde 1832-1835 auf dem jetzigen Areal  zwischen Encke-, Bessel- und Markgrafenstraße an der Lindenstraße nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel errichtet. Das zweistöckige Bauwerk war in Kreuzform angelegt und mit seinem längsten Arm nach Osten ausgerichtet. Am Schnittpunkt der Kreuzarme befand sich die Eisenkonstruktion einer drehbaren Kuppel mit einem Durchmesser von 7,5 Metern. Es handelte sich um die erste Sternwartenkuppel in Preußen in Form einer Halbkugel mit Spaltverschluss und Drehmechanismus. Das Fundament des eigentlichen Observatoriums war vom übrigen Gebäude unabhängig, um die Übertragung von Schwingungen zu vermeiden.

In der neuen Sternwarte wurden bedeutende astronomische Entdeckungen gemacht, etwa die Teilung des Saturnrings, die Entdeckung eines weiteren dunklen Rings beim Saturn (C-Ring) sowie mehrere bisher unbekannte Kometen. Am 23. September 1846 entdeckten Johann Gottfried Galle und der Astronomiestudent Heinrich Louis d’Arrest anhand von Positionsberechnungen des Franzosen Urbain Le Verrier den Planeten Neptun. Durch diese Entdeckung erlangte die Berliner Sternwarte weltweite Bekanntheit.

Die Neue Sternwarte in Berlin, Ölgemälde von Carl Daniel Freydanck, 1838

Die Neue Sternwarte in Berlin, Ölgemälde von Carl Daniel Freydanck, 1838 [Blick von Südosten] — Bild: Carl Daniel Freydanck / Public domain

1865 wurde Wilhelm Foerster (1832 – 1921) Direktor der Sternwarte. Zu dieser Zeit war das Observatorium die bedeutendste astronomische Forschungs- und Lehrstätte in Deutschland.
Am Nordflügel des Observatoriums war die Höhenbezugsfläche Normalnull für das Königreich Preußen festgelegt. Die Markierung wurde zum 82. Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. am 22. März 1879 förmlich übergeben. Dieser “Normalhöhenpunkt 1879″ wurde vom Amsterdamer Pegel abgeleitet und markierte 37 Meter über Null.

1889 wurde die Königliche Sternwarte der Akademie der Wissenschaften getrennt und der Friedrich-Wilhelm-Universität angeschlossen. Die Berliner Universität hatte bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1809 die Sternwarte der Akademie mitbenutzt.

Ende des 19. Jahrhunderts führte das rasante Wachstum der Stadt Berlin dazu, dass die einst am Stadtrand errichtete Sternwarte inzwischen völlig umbaut war und damit eine den Ansprüchen der Forschung genügende Beobachtungstätigkeit kaum mehr möglich war. Mitte der 1890er Jahre schlug daher unter anderem Wilhelm Foerster den Neubau einer Sternwarte außerhalb des Ballungsraumes vor. Nach Probebeobachtungen im Umland ab Juni 1906 fiel die Entscheidung des Kultusministeriums zugunsten des vorgeschlagenen Standorts im Schlosspark Babelsberg bei Potsdam. Hier wurde von 1911 bis 1913 nach einem Entwurf von Thür und Brüstlein das Hauptgebäude der neuen Sternwarte errichtet.

Das Gebäude in der Lindenstraße wurde nach dem Umzug geräumt und im August 1913 abgerissen. Der Verkauf des Grundstücks deckte die Kosten der Errichtung der neuen Sternwarte in Babelsberg und der Anschaffung neuer Instrumente. Nach dem Abbruch der Gebäude wurde das geräumte Gelände an der Lindenstraße teilweise für den Bau einer neuen Straße genutzt, die ab 1927 Enckestraße hieß. Entlang der Straße neu geschnittene Grundstücke wurden bebaut, unter anderem mit dem Blumengroßmarkt Kreuzberg (1922).

Im Jahr 2012 wurde zum 100. Geburtstag des Deutschen Haupthöhennetzes am exakten Ort des Normalhöhenpunktes von 1879 eine Gedenkstele enthüllt.

Quelle:
Wikipedia: Berliner Sternwarte (abgerufen am 5.8.2020)

 

Verlauf der Etappe 0

Start: Dieffenbachstraße

Ziel 1: Stele am Standort der Sternwarte zur Erinnerung an den früher hier an der Nordseite des Gebäudes befindlichen Preußischen Normal-Höhenpunkt 1879

Strecke: 2,6 km – Dieffenbachstraße – am Landwehrkanal entlang bis zur Zossener Brücke – rechts in die Zossener Straße – Lindenstraße – links auf den Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz (ehem. Blumengroßmarkthalle, heute W. Michael Blumenthal Akademie des Jüdischen Museums Berlin)

Ziel 2: Dorotheenstraße 27, Standort der ersten Berliner Sternwarte

Strecke: 1,8 km – Enckestraße – Charlottenstraße – rechts in die Dorotheenstraße

Etappe gesamt: 4,4 km

 

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