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5 Jahre

Der Kater ist angekommen.

Als ich im August 2004 nach langer und reiflicher Überlegung entschieden hatte, eine Katze anzuschaffen, war klar, es muss eine aus dem Tierheim sein. Ich war angenehm überrascht zu sehen, dass auf der Homepage des Tierheims Berlin aktuell zu vermittelnde Katzen (und andere Tiere) mit Fotos und ihrer Geschichte kurz vorgestellt werden. Ich stöberte dort ein wenig – und verliebte mich Hals über Kopf in diesen Blick:

Kater "Shell" im Tierheim Berlin

Kater “Shell” im Tierheim Berlin (Foto: Tierheim Berlin, 2004)

Der Text dazu ließ noch nicht ahnen, was für ein Schicksal der kleine Kerl hinter sich hatte:

Vermutlich ausgesetzt wurde Shell.
Der British-Kurzhaar-Mix-Kater wird auf 5 Jahre geschätzt. Da er sehr schüchtern ist, sollte er nur in einen ruhigen, kinderlosen Haushalt ohne andere Tiere einziehen.

An einem Freitag im August fuhr ich mittags nach Falkenberg ins Berliner Tierheim und war sehr angetan von der modernen, großzügigen Anlage – ganz anders als das viel zu kleine ehemalige Tierheim Lankwitz, das mir immer irgendwie vollgestopft erschien.

Der erste Tierpfleger, der mir in einem der beiden Katzenhäuser (“Samtpfötchen”) über den Weg lief, hatte anscheinend wenig Verständnis dafür, dass ich mir “meine” Katze vorab im Internet “ausgesucht” hatte, und pries mir ein paar Schmusekatzen an, die mir aber alle zu aufdringlich waren – ich schätze Katzen (und Menschen), die sich nicht gleich an einen “ranschmeißen”, sondern einen erstmal kennenlernen wollen, bevor sie entscheiden, einem zu vertrauen.

Außerdem wollte ich keine Schmusekatze, ich wollte “Shell”! Den kannte der Tierpfleger aber nicht und verwies mich ins Nachbarhaus “Garfield”. Dort geriet ich an eine äußerst nette und kompetente Tierpflegerin, die meinen Wunsch respektierte, aber mich gleich warnte: Viele wollten diesen Kater schon mitnehmen, weil er so ein hübscher Kerl sei, aber es gebe da einige Probleme, deswegen hätten alle Abstand genommen. Bevor sie mir davon erzähle, solle ich ihn aber ruhig erstmal anschauen.

Katerchen hatte beschlossen, heute nicht besichtigt werden zu wollen und verkroch sich in seinem Korb, aus dem heraus er uns beide misstrauisch beobachtete. Für mich war es zu spät; ich hatte mein Herz an dieses Tier verloren, und es war mir egal, was da noch für Schwierigkeiten auf mich warteten.

Während wir uns zusammen in die offene Käfigtür setzten – vielleicht würde er ja doch neugierig werden und gucken kommen? – erzählte mir die Tierpflegerin seine Geschichte:

Kater “Shell” war von Passanten schwer verletzt in einer Tierarztpraxis im Berliner Norden abgegeben worden; der Tierarzt hatte angesichts der schweren Verletzungen das Tier sofort ins Tierheim zur Not-OP geschickt. Ob der Kater aus großer Höhe gestürzt oder angefahren worden war, ließ sich nicht ermitteln, auf jeden Fall ging es ihm schlecht: der rechte Oberschenkelknochen war völlig zertrümmert und musste mit einer Titanplatte fixiert werden, die Lunge war gequetscht (Traumatischer Pneumothorax) und die beiden Fangzähne auf der rechten Seite mussten entfernt werden. Dazu kam ein schwerer Schock, der mehrwöchige Aufenthalt in der Tierklinik und ein möglicherweise haltungsbedingtes Misstrauen gegen Menschen im Allgemeinen.

Er ließ sich nicht anfassen, flüchtete, sobald sich ihm jemand näherte und ließ sich vom Tierarzt nur unter Narkose behandeln. Die Tierpflegerin machte mir einerseits Hoffnung, mit viel Geduld könnten “solche” Katzen durchaus sehr zutraulich werden, andererseits könne natürlich niemand Garantien übernehmen, dass er sich überhaupt jemals streicheln lassen würde.

Ich sollte mir das Ganze nochmal in Ruhe überlegen, der Kater würde sowieso nur nach einem Gespräch des Interessenten mit dem behandelnden Tierarzt abgegeben werden, und der sei erst Montag wieder im Hause.

Capu im Bett

Ein ganz anderer Blick – April 2009

Für mich gab es nichts zu überlegen, ich hatte mich bereits entschieden. Und der Kater wohl auch, denn als ich beim Gehen nochmal von außen durch die Glasscheibe in seinen Käfig schaute, hatte er den Kopf aus dem Körbchen gereckt und sah zu mir hinaus – jetzt schon eher neugierig als skeptisch.

Ich fuhr am Montag mit einem Transportbehälter erneut nach Falkenberg und sprach mit dem Tierarzt. Der war sehr nett, erklärte mir nochmal Art und Schwere der Verletzungen und wie die weitere Behandlung aussieht, deren Kosten vom Tierheim getragen werden, wenn ich sie dort durchführen lasse.

Im “Garfield”-Haus war die nette Tierpflegerin wieder da und fing Katerchen für mich ein – nachdem alle Verstecke aus seinem Käfig entfernt worden waren, sah er den Transportkorb als einzige “Rettung” vor uns an und kroch dort hinein. Sie versuchte, ihm (und mir) Mut zu machen, indem sie meinte “So, jetzt geht es nach Hause!”

Auf dem Heimweg gab er keinen Mucks von sich, “zu Hause” war alles vorbereitet: Klo, Fressen und Wasser standen bereit, ich stellte den Korb ab, öffnete ihn und verließ für einige Stunden die Wohnung, um ihm Gelegenheit zu geben, alles in Ruhe zu erkunden.

Als ich zurückkam, war der Kater spurlos verschwunden.
Am nächsten Morgen war er immer noch unsichtbar, aber das Fressen war weg, und das Klo war benutzt worden. Bestens!

Natürlich fand ich seine Verstecke schnell (unter dem Küchenschrank oder unter einem Bücherregal, ganz hinten an die Wand gepresst), aber ich störte ihn dort nicht. Ich zeigte ihm, dass ich wusste, wo er sich aufhielt, aber dass ich seinen Rückzug akzeptiere. Näherte ich mich nähr als einen Meter, fing er an zu knurren, also respektierte ich diesen “Sicherheitsabstand”. Was mich natürlich nicht hinderte, kleine Leckereien vor seinem Versteck zu deponieren, um ihm zu zeigen, dass er von mir nichts Böses zu erwarten hatte.

Ich sah von ihm nichts, außer ich legte mich platt auf den Boden und lugte in sein Versteck. Nachts war er allerdings auf Achse und fraß wie ein Scheunendrescher. Nach etwa einer Woche erwachte ich nachts von einem lauten Jaulen. Ich saß senkrecht im Bett und dachte “Die Katze! Was ist mit der Katze!?” Licht an, und unter dem Tisch sitzt ein zufriedener Kater und leckt sich das Maul. Es stellte sich heraus, dass der Kater “singt”, wenn ein Fressen besonders gut oder reichhaltig war. Nun gut.

Capu und sein Baum

MeinBaum ist der tollste…

Mit der Zeit stellten sich auch andere Lautäußerungen ein, denn der Kater ist sehr kommunikativ. Er miaut, mäht, gurrt, schreit, knurrt, fiept und summt. In allen Lautstärken und Tonlagen. Man hört, ob er zufrieden ist oder nicht. Er mault, nörgelt und schimpft, wenn ihn etwas nervt. Nur gefaucht hat er noch nie, das hebt er sich auf, wenn er urlaubsbedingt bei meiner Mutter “zu Besuch” ist.

Nach einem Monat musste er nochmal zum Tierarzt zum Röntgen. Er bekam eine Vollnarkose, weil es zwei Tierpflegerinnen nicht gelang, ihn festzuhalten. Insgeheim war ich Stolz auf meinen “Kampfkater”, der nicht vor Angst paralysiert war, sondern kämpfte, auch wenn ich natürlich den Pflegerinnen mein Mitgefühl für ihre zerkratzten Arme aussprach.

Nach der Narkose hatte ich erstmalig Gelegenheit, den kleinen Kerl zu streicheln – bis dahin hatte er immer den Sicherheitsabstand eingehalten und war nach Möglichkeit nicht in der Wohnung unterwegs, wenn ich wach war.

Es dauerte einen weiteren Monat, da gab er endlich meinen dauernden vorsichtigen Annäherungsversuchen nach und gab kurz Köpfchen an meiner Hand und schnurrte dazu! Mir ging natürlich das Herz auf. Von da an ging es kontinuierlich weiter. Er wurde immer zutraulicher, ließ sich nach einigen Monaten sogar schon kurz auf den Arm nehmen, suchte sich langsam tagsüber Schlafplätze außerhalb seiner Verstecke, strich mir beim Füttern um die Beine und fing an, sich zu “unterhalten”.

Zungenrollen

Mein Kater kann Zungenrollen! – Weil ihm rechts beide Fangzähne fehlen, rutscht beim Schlafen manchmal die Zunge raus, ohne dass er es merkt…

Natürlich gab es auch weniger schöne Aspekte unseres Zusammenlebens. Bis vor einem Jahr kam es immer wieder vor, dass eine Bettdecke oder ein Kopfkissen vollgepinkelt war; wir bekamen nie so ganz raus, was das zu bedeuten hatte und sind auch heute nicht sicher, dass diese Phase wirklich überwunden ist.

Außerdem hat der Kater vor unglaublich vielen Dingen Angst: Vor nackten Füßen in Sandalen. Vor stampfenden Schritten. Vor schwungvollen oder ruckartigen menschlichen Bewegungen (tanzen, drehen, schnell laufen). Vor dem Wedeln mit Kleidungsstücken, Decken oder Handtüchern. Vor fremden Menschen. Vor fremden Katzen, auch wenn sie nur halb so groß sind wie er.

Andererseits hat er kein Problem mit Gewittern oder Feuerwerk. Silvester lässt ihn kalt. Er findet es spannend, wenn auf der Straße eine Kita-Gruppe lärmend vorbeizieht, dann geht er ans Fenster gucken. Er liebt rhythmische Blasmusik oder wenn ich ihm etwas vorsinge. Er mag es, wenn ich, ihn auf dem Arm, mich rhythmisch hin und her bewege und ihn schaukele. Er liebt Blumen; wenn ich einen Blumenstrauß oder -topf mitbringe, ist die Freude immer riesengroß. Er frisst sie nicht, aber er riecht gerne ausgiebig an den Blättern und Blüten.

Er liebt seinen Platz an seinem “Baum”, einem dicken Ast, den wir in seinem ersten Herbst bei uns von einem Waldspaziergang mitgebracht haben. Sein Lieblingsspielzeug ist eine Rundstricknadel mit einem Kunststoffknopf am Ende – wenn man diese Nadel ein paar Wochen versteckt und sie dann wieder hervorholt, ist die Freude riesengroß.

Er ist ein absolut verträglicher Mitbewohner. Er hat seine Lieblingsplätze (Bett, Sessel), respektiert aber, wenn wir sie selber einnehmen und wartet geduldig auf seine Chance, den Platz zu übernehmen. Er begrüßt einen, als wäre er absolut entzückt, einen zu sehen, egal ob man aus dem Bett aufsteht, vom Einkaufen nach Hause kommt oder sich nach einem Kurzurlaub wiedersieht. Er trägt nichts nach. Wenn etwas schiefläuft, versteckt er sich eine Weile, kommt aber bald wieder versöhnlich an und akzeptiert Entschuldigungen großzügig und ohne Theater.

Er ist zwar verfressen, aber er bettelt nicht. Wenn wir essen, liegt er meist entspannt in der Nähe und döst (er liebt unsere Gesellschaft). Er möchte dabei sein, freut sich auch über ein paar leckere Häppchen, fordert sie aber nie ein. Selbst wenn wir ihn am Tisch füttern, sind ihm zwei, drei Bröckchen genug und er verzieht sich zufrieden.

Er ist ein absolutes Kuscheltier, ein Schmuseteddy. Gutmütig, geduldig, liebevoll. Sobald er mich sieht, schnurrt er. Er möchte zu jeder Tages- und Nachtzeit gestreichelt werden, kommt aber nie von selbst, um sich seine Streicheleinheiten abzuholen. Er lässt sich auf den Arm nehmen, bleibt auch gern ein bisschen dort, kommt aber nie auf den Schoß, wenn ich irgendwo sitze.

Am Sonntag war er fünf Jahre bei mir, und er hat das Jubiläum begangen, indem er mir großzügig die ganze Wohnung vollgekotzt hat (am Freitag hatte es frisches Gras gegeben).

Cappuccino ist nach Hause gekommen.

Cappuccino im April 2009

Cappuccino im April 2009

Flachgelegt

Die Ischialgie (oder Ischiassyndrom) bezeichnet Schmerzen in einem Teil des Versorgungsgebietes des Nervus ischiadicus (…). Diese wird meist durch Kompression der Nervenwurzel zum Beispiel durch Vorwölbung (Protrusion) oder komplettes Heraustreten (Prolaps) von Bandscheibengewebe (Bandscheibenvorfall) bei fortschreitender Zermürbung (Degeneration) der Bandscheibe verursacht. Auch knöcherne Ausziehungen an den Wirbelkörpern (Spondylophyten) in Folge einer Osteochondrose können die Nervenwurzeln irritieren und so zur Ischialgie führen.
(Wikipedia.de: Ischialgie)

Ja. Wie auch immer.

Es. Tut. Weh.

Spam-Poesie II

Von Zeit zu Zeit landen wundersam poetische Werke in meiner Mailbox.

So wie dieses hier:

Hallo werde ich der schöne Fremde, über unsere Bekanntschaft mich froh sein rufen Anastasiya.
Ich suche seine einzige und eigenartige Hälfte. Ich suche nicht einfach den Mann ich suche den Freund, des vorliegenden Freundes auf ganzes Leben. Ich das warme, zärtliche, zarte Mädchen. Mir 27 Jahre.
(…) Ich verstehe mit dem Humor, auf die Probleme bezogen zu werden und lustig zu sein. Für mich in der Einsamkeit verliert das Leben den Sinn ich verwelke wie das Blümchen. Betreffs der Einfachheit kann, dass ich offen wie das Buch sagen. Mich muss man nur lesen.

Eigentlich eine ganz romantische Kontaktanzeige…

Feuerzauber: Pyromusikale in Berlin

Der Mann hat in seiner Jugend viel Erfahrung mit UnkrautEx und Zucker gesammelt, und so ist kein Feuerwerk vor ihm sicher. Da war die erstmalig in Berlin stattfindende Pyromusikale natürlich ein Muss.

Nun, ich mag Feuerwerk auch, und nachdem ich vor kurzem die Funktion “Schnelle Bilderserie” bei meiner Digitalkamera entdeckt habe, kann ich erstmals sogar vernünftige Feuerwerks-Fotos machen – also los, zum Flughafen Tempelhof.

An den ersten beiden Abenden haben wir wegen anderer Termine nur die Geräuschkulisse “genossen” (die Kanonenschläge erzeugen in Kreuzberger und Neuköllner Hinterhöfen ganz wunderbare Echos und Soundeffekte), aber am letzten Tag sollte es ja sogar vier Feuerwerke geben, da mussten wir also hin!

Tolle Eindrücke am letzten Tag

Mit vielen anderen Feuerwerksbegeisterten schauten wir uns das Spektakel vom Columbiadamm aus an. Das war natürlich nicht ganz so spektakulär wie die Frontalansicht vom Gelände; da wir das Feuerwerk aber praktisch direkt von der Seite sahen, konnte man gut erkennen, wie die einzelnen Figuren mit Elementen in verschiedener Höhe aufgebaut wurden.

Nun, es war natürlich GANZ GROSSARTIG! Ich wundere mich selbst immer, dass Feuerwerke so unterschiedlich sein können, und es ist spannend zu sehen, wie Feuerwerkskünstler mit den vorhandenen Möglichkeiten immer neue “Choreographien” erstellen, aber auch ständig neue Effekte entwickeln.

Jeder Beitrag hatte etwas Neues zu bieten, das uns besonders aufgefallen ist: Beim Spanier Francisco Martínez Gomis und seinem Focs d´Artifici Europlá Team waren es die farbenfrohen Feuerwerkskörper, die in allen Farben gleichzeitig leuchteten – so viele Grün-, Violett- und Gelbtöne auf einmal in einem Feuerwerkskörper hatten wir noch nie gesehen.

Pyromusikale 2009 in Berlin - www.pyromusikale.de
Bonbonbuntes Feuerwerk von Francisco Martínez Gomis

Der Kanadier Alain Carbonneau und das Apogée Team arbeiteten viel mit Fontänen, mit Rot-, Violett- und Blautönen sowie mit ringförmigen Figuren – hier entstanden Blütenbuketts und saturnartige Planeten. Gut gefallen haben mir auch die grünen “Bälle”, aus deren Innern gold-glitzernde “Kometen” flogen, die einen Ring bildeten, aus dessen Zentrum dann wieder ein grüner “Ball” erstand…

Pyromusikale 2009 in Berlin - www.pyromusikale.de
“Spacige” Figuren des Kanadiers Alain Carbonneau

Am meisten hat uns der chinesische Beitrag von Liuyang Dancing Fireworks beeindruckt, die auch die Eröffnungs- und Abschluss-Feuerwerke der Olympischen Spiele 2008 in Peking gestaltet haben. Die Dramaturgie wirkte selbst aus unserem Blickwinkel sehr abwechslungsreich und phantasievoll, und es wurden viele uns bisher unbekannte Effekte eingesetzt, zum Beipsiel riesige golden glitzernde Wolken, die wie in Zeitlupe zu Boden sanken. Schön waren auch die Bilder aus verschiedenen Rot- und Rosatönen und die vielfarbigen Kugeln sowie der reichliche Einsatz von Goldregen-Fontänen.

Pyromusikale 2009 in Berlin - www.pyromusikale.de
Das chinesische Ensemble Liuyang Dancing Fireworks hatte viel Rot und Gold im Einsatz

Zum Abschluss durfte dann nochmal der Veranstalter Hans-Georg Kehse zur Tat schreiten. Er konnte, zumindest aus unserem Blickwinkel, nicht mit den Chinesen mithalten, hat aber ein wunderschönes Finale mit großen “Feuerbällen” gestaltet, die wie Farbwechsler in bis zu sechs Farben nacheinander leuchteten.

Pyromusikale 2009 in Berlin - www.pyromusikale.de
Feuerblumen vom Veranstalter Kehse

Weitere Fotos von diesem und anderen Feuerwerken gibt es in meinem Flickr-Account.

Zweifelhafter Umgang mit Hobbyfotografen

Was mir ein wenig bitter aufstößt, ist die restriktive Bildpolitik der Pyromusikale-Veranstalter. Laut Hinweis auf der Homepage dürfen sämtliche Foto- und Filmaufnahmen nur zu privaten Zwecken verwendet werden, und auch dies nur mit strikten Auflagen:

  • Jedes Foto, das irgendwo im Internet veröffentlicht wird (private Homepage, Foto- und Video-Plattformen), MUSS den Hinweis “Pyromusikale 2009″ und ein Link auf die Website enthalten (Die Bildunterschrift “Schönes Feuerwerk in Berlin” ist demnach bereits ein Verstoß gegen die Regeln)
  • Die längste Seite des derart veröffentlichten Fotos darf maximal 640 Pixel betragen, wobei man sich hier selbst widerspricht, denn später heißt es, der “Upload von Fotos größer als 600 x 800 Pixel” sei nicht gestattet
  • Die Verwendung der Fotos auf kommerziellen Websites oder in Werbematerial jeder Art ist untersagt

Das alles kann ich mit viel gutem Willen noch nachvollziehen, ganz weit aus dem Fenster lehnen sich die Veranstalter allerdings mit Forderungen wie

  • DVDs, “die Sie im Bekanntenkreis verschenken”, müssen die Kennzeichnung “Pyromusikale 2009″ tragen
  • Die “Verwendung von Fotos oder Videos – auch rein privat – OHNE Hinweis auf PYROMUSIKALE und OHNE Nennung unserer Web-Adresse” sei “nicht erlaubt”

HALLO?!

Ein bißchen Angst machen möchte man dem unbedarften Hobby-Fotografen dann auch noch, indem man androht,

“eine Agentur zu beauftragen, die sich darauf spezialisiert hat, Urheberrechtsverletzungen im Internet aufzuspüren, abzumahnen und Schadensersatzforderungen durchzusetzen.
Konkret heißt das: wer PYROMUSIKALE-Material vorsätzlich oder aus Unwissenheit in verbotener Weise (siehe oben) publiziert, kann mit Kosten für Anwalt und Schadensersatz zwischen 500 und 2500 Euro rechnen.”

Hier wurde man offensichtlich schlecht beraten, daher nur mal zur Klarstellung:

  1. Die Kostenerstattungsansprüche für Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzung sind bei Privatleuten ohne Geschäftsinteresse seit 1.9.2008 auf maximal 100,00 Euro begrenzt (Gesetz zur Umsetzung der EU-
    Durchsetzungs-Richtlinie
    (2004/48/EG)).
  2. Sorry Leute, aber was ich mit meinen Fotos in meinem Privatleben mache, wem ich die schenke und in welcher Form, darauf habt Ihr nun wirklich keinen Einfluss!
    Und ein nachweisbarer wirtschaftlicher Schaden entsteht Euch dadurch wohl auch nicht.

Das Berlinfreunde-Blog befolgt in seinem Beitrag Pyromane in Tempelhof die Anweisungen übrigens vorbildlich und mit einem Augenzwinkern, indem unter allen Fotos (auch denen von endlosen Schlangen vor Toiletten oder Getränkeständen) der Hinweis ” Mit freundlicher Genehmigung von Pyromusikale” nicht fehlt. Hut ab!

Einen Beitrag zum zweiten Abend (gesehen von der Oderstraße), versehen mit maximal 640 Pixel breiten Fotos, hat Creezy verfasst: Naherholungsgebiet.

PS: Wer eines meiner “Feuerwerk in Berlin”-Fotos in höherer Auflösung als privates Geschenk erhalten möchte, der melde sich bei mir…

Józef Czapski und die “Kultura” – ein Filmabend

Gestern war ich mit dem Mann auf Einladung von Lore Ditzen bei der Aufführung ihres Films “Das Zeugnis des Joseph Czapski” (1981) im Dokumentationszentrum Berliner Mauer in der Brunnenstraße.

Der Abend stand unter dem Motto “Eine Legende: die polnische Exilzeitschrift Kultura und ihr Kreis”, und nach dem Film gab es eine sehr interessante und kenntnisreiche Einführung in die Geschichte und Arbeitsbedingungen der “Kultura” von Basil Kerski, Journalist, Politikwissenschaftler und Chefredakteur des deutsch-polnischen Magazins DIALOG.

Józef Czapski (1896-1993) stammte aus der österreichisch-polnischen Adelsfamilie Hutten-Czapski und war Maler, Schriftsteller und Offizier der Polnischen Armee im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Er war 1941 damit beauftragt worden, das Schicksal polnischer Offiziere aufzudecken, die in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern verschwunden waren, und stieß dabei auf die Spuren des Massakers von Katyn.

Mit den Resten der Polnischen Armee gelangte er 1942 über Turkestan, Iran, Irak, Palästina und Ägypten nach Italien und ließ sich 1945 in Paris nieder, wo er ab 1947 an der von Jerzy Giedroyc gegründeten Exilzeitschrift “Kultura” mitarbeitete.

Giedroyc veröffentlichte in seinem Verlag “Instytut Literacki” (“Literarisches Institut”) neben der “Kultura” bedeutende Werke der polnischen Gegenwartsliteratur und bot vielen Autoren erstmalig die Möglichkeit der Veröffentlichung ihrer Werke, die in Polen nicht möglich war, darunter CzesÅ‚aw MiÅ‚osz, Witold Gombrowicz, Marek HÅ‚asko, Andrzej Bobkowski oder Jerzy Stempowski.

Giedroyc und die “Kultura” nahmen direkt und indirekt Einfluss auf die sich herausbildende demokratische Opposition in Polen und seinen Nachbarländern:

Das Ideal des Kreises um Jerzy Giedroyc war ein unabhängiges, demokratisches Polen, das Demokratie und Unabhängigkeit auch für seine östlichen Nachbarn – die Ukraine, Weißrußland und die baltischen Staaten – voraussetzte. Die „Kultura” erstrebte für die mitteleuropäischen Länder und ihre östlichen Nachbarn eine freiheitliche Zukunft in Europa jenseits von Kommunismus und Nationalismus – zu einer Zeit, als dies völlig unrealisierbar schien.
(aus der Einladung zur Veranstaltung)

Mit dem Tod Giedroycs im Jahre 2000 stellte auch die “Kultura” ihr Erscheinen ein. Sein Verlag besteht noch und gibt weiterhin Bücher und die “Zeszyty Historyczne” (“Historische Hefte”) heraus.

1981 besuchte die Berliner Publizistin Lore Ditzen, damals Kulturredakteurin beim SFB, Józef Czapski in Paris und drehte ein eindringliches Porträt dieses großartigen Künstlers, Pazifisten und Menschen.

Leider ist die Arbeit der “Kultura” wie die Werke vieler polnischer Autoren in Deutschland nach wie vor selbst bei Literaturinteressierten relativ unbekannt, selbst in der deutschsprachigen Wikipedia fehlen Beiträge zu Czapski, Giedroyc und anderen.
In Anbetracht der Tatsache, dass es sowohl englische wie polnische Beiträge gibt, mache ich mich vielleicht an eine Übersetzung – damit diese Leistung nicht vergessen wird.