Musings

Erlebnisse, Gedanken und Fundstücke

Archive of ‘Zitate’ category

Gut gesagt

Der Politikwissenschaftler, Historiker und Journalist Götz Aly wendet sich gegen die Inschrift “Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk.” auf dem geplanten Einheitsdenkmal in Berlin.
Aus gutem Grund kritisiert er eine derartige “Volksverherrlichung”:

“Das Volk, das Helmut Kohl am 19. Dezember 1989 in Dresden zujubelte, ist teilidentisch mit jenem Pegidavolk, das die heutige Bundeskanzlerin als Volksverräterin verleumdet. Hier liegt der springende Punkt. Die Kanzlerin ist eben nicht auf einen diffusen sächsischen Volkswillen vereidigt, sondern auf internationale Verträge, zum Beispiel die UN-Charta der Menschenrechte von 1948, und auf das Grundgesetz. Sie wird von Abgeordneten gewählt, die ausdrücklich den Gesetzen und ihrem Gewissen verpflichtet sind. Vor diesen muss sie ihre Politik verantworten, nicht vor einem mal so, mal so gestimmten Volk. Entscheidungen des Parlaments, des Bundesrats oder der Bundesregierung werden gegebenenfalls vom Verfassungsgericht überprüft – nicht vom Volk.”
Quelle: Götz Aly: Volk und Einheitswippe, Verfassung und Recht. Berliner Zeitung, 16.5.2017, S. 8 der Printausgabe, online: http://www.berliner-zeitung.de/26907228 ©2017

Lesetipp: Was Geheimdienste aus den Metadaten unserer Handys über uns erfahren

Ein Niederländer teilt eine Woche lang öffentlich die Metadaten seines Handys.

Metadaten sind nicht der tatsächliche Inhalt der Kommunikation, sondern die Daten über die Kommunikation; etwa die Nummern, die er anruft oder antextet, und wo sein Handy sich zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet. Wem er E-Mails schreibt, die Betreffzeilen der E-Mails und die Webseiten, die er besucht.

Ein Forschungdteam der Universität Gent analysierte die Daten und erstellte daraus ein erschreckend genaues Profil des jungen Mannes – und seines sozialen Umfelds.

Jedes Mal, wenn Tons Telefon eine Verbindung mit einem Funkturm herstellte und jedes Mal, wenn er eine E-Mail schrieb oder eine Website besucht, konnten wir sehen, wann dies geschah und wo er in diesem Moment war, bis auf wenige Meter genau. Wir waren in der Lage, basierend auf seinem Telefon- und E-Mail-Verkehr, sein soziales Netzwerk zu erkennen. Über seine Browser-Daten konnten wir auch die Websites, die er besuchte, und seine Suchanfragen zu sehen. Und wir konnten das Thema, den Absender und Empfänger jeder seiner E-Mails sehen.

Mit Hilfe der so ermittelten Daten konnten durch Verknüpfungen mit anderen Datenbeständen sogar Passwörter von Online-Diensten und Mailkonten entschlüsselt werden und so auf hochsensible Daten zugegriffen werden.

Was sie und ich für diesen Artikel getan haben, ist Kinderkram, im Vergleich zu dem, was Geheimdienste tun könnten. Wir konzentrierten uns vor allem auf die Metadaten, die wir mit gängiger Software analysierten. Wir verzichteten auf zusätzliche Recherchen (…).
Außerdem war dieses Experiment auf eine Woche beschränkt. Einem Geheimdienst stehen Metadaten über viel mehr Menschen, über einen viel längeren Zeitraum, und dazu viel ausgefeilteren Analyse-Tools zur Verfügung.

Lesetipp: Metadaten: Wie dein unschuldiges Smartphone fast dein ganzes Leben an den Geheimdienst übermittelt (netzpolitik.org)

Petition für UN-Konvention für digitale Rechte

Demokratie verteidigen im digitalen ZeitalterAm Internationalen Tag der Menschenrechte 2013 haben sich 562 international anerkannte Autorinnen und Autoren unter dem Namen “Writers Against Mass Surveillance” (Schriftsteller gegen Massenüberwachung) zu einer öffentlichen Intervention gegen die Gefahren der systematischen Massenüberwachung durch Staaten, Regierungen und Konzerne zusammengeschlossen.

Zu den Unterzeichnern gehören Nobelpreisträger wie Günter Grass, Elfriede Jelinek, Orhan Pamuk und J.M. Coetzee sowie Umberto Eco, Margaret Atwood, Henning Mankell, Richard Ford, David Grossmann, T.C. Boyle, Daniel Kehlmann, Nawal El Saadawi, Arundhati Roy, Javier Marias, Björk, Arnon Grünberg, Angeles Mastretta, Juan Goytisolo, Nuruddin Farah, João Ribeiro, Victor Erofeyev, Liao Yiwu, David Malouf und viele andere.

Sie fordern, dass die UN eine verbindliche “Internationale Konvention der digitalen Rechte” verabschiedet.

Der Aufruf wurde auf Initiative von Juli Zeh, Ilija Trojanow, Eva Menasse, Janne Teller, Priya Basil, Isabel Fargo Cole und Josef Haslinger am 10. Dezember 2013 in über 30 internationalen Zeitungen und im Internet veröffentlicht:

In den vergangenen Monaten ist ans Licht gekommen, in welch ungeheurem Ausmaß wir alle überwacht werden. Mit ein paar Maus-Klicks können Staaten unsere Mobiltelefone, unsere E-Mails, unsere sozialen Netzwerke und die von uns besuchten Internet-Seiten ausspähen. Sie haben Zugang zu unseren politischen Überzeugungen und Aktivitäten, und sie können, zusammen mit kommerziellen Internet-Anbietern, unser gesamtes Verhalten, nicht nur unser Konsumverhalten, vorhersagen.

Eine der tragenden Säulen der Demokratie ist die Unverletzlichkeit des Individuums. Doch die Würde des Menschen geht über seine Körpergrenze hinaus. Alle Menschen haben das Recht, in ihren Gedanken und Privaträumen, in ihren Briefen und Gesprächen frei und unbeobachtet zu bleiben.

Dieses existentielle Menschenrecht ist inzwischen null und nichtig, weil Staaten und Konzerne die technologischen Entwicklungen zum Zwecke der Überwachung massiv missbrauchen.

Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei; und eine Gesellschaft unter ständiger Beobachtung ist keine Demokratie mehr. Deshalb müssen unsere demokratischen Grundrechte in der virtuellen Welt ebenso durchgesetzt werden wie in der realen.

  • Überwachung verletzt die Privatsphäre sowie die Gedanken- und Meinungsfreiheit.
  • Massenhafte Überwachung behandelt jeden einzelnen Bürger als Verdächtigen. Sie zerstört eine unserer historischen Errungenschaften, die Unschuldsvermutung.
  • Überwachung durchleuchtet den Einzelnen, während die Staaten und Konzerne im Geheimen operieren. Wie wir gesehen haben, wird diese Macht systematisch missbraucht.
  • Überwachung ist Diebstahl. Denn diese Daten sind kein öffentliches Eigentum: Sie gehören uns. Wenn sie benutzt werden, um unser Verhalten vorherzusagen, wird uns noch etwas anderes gestohlen: Der freie Wille, der unabdingbar ist für die Freiheit in der Demokratie.

Wir forder daher, dass jeder Bürger das Recht haben muss mitzuentscheiden, in welchem Ausmaß seine persönlichen Daten gesammelt, gespeichert und verarbeitet werden und von wem; dass er das Recht hat, zu erfahren, wo und zu welchem Zweck seine Daten gesammelt werden; und dass er sie löschen lassen kann, falls sie illegal gesammelt und gespeichert wurden.

Wir rufen alle Staaten und Konzerne auf, diese Rechte zu respektieren.

Wir rufen alle Bürger auf, diese Rechte zu verteidigen.

Wir rufen die Vereinten Nationen auf, die zentrale Bedeutung der Bürgerechte im digitalen Zeitalter anzuerkennen und eine verbindliche Internationale Konvention der digitalen Rechte zu verabschieden.

Wir rufen alle Regierungen auf, diese Konvention anzuerkennen und einzuhalten.

Quelle: change.org

Jeder hat die Möglichkeit, sich diesem Aufruf anzuschließen und die Forderungen mit seiner Unterschrift zu unterstützen:

  1. Gehen Sie zur Website der Petition auf change.org: http://www.change.org/de/Petitionen/die-demokratie-verteidigen-im-digitalen-zeitalter
  2. Unterstützen Sie die Kampagne durch Eintragung mit Ihrem Namen und Ihrer e-Mail-Adresse (wird nicht veröffentlicht; auf Wunsch wird auch Ihr Name nicht in der Liste der Unterstützer veröffentlicht).
    Es ist keine Registrierung, Anmeldung oder Preisgabe persönlicher Daten notwendig.
  3. Das war es schon!

Jeder kann etwas bewegen!

Jeder hat es in der Hand…

Ein Artikel von Seth Godin hat mir so aus dem Herzen gesprochen, dass ich ihn hier – frei übersetzt – zitieren muss:

Autorität als Ausrede für Gleichgültigkeit

“Ich dachte, Du weißt, was Du tust…”

Egal ob man im Bus sitzt, in der Klasse oder an seinem Arbeitsplatz, es gilt: Mitgehangen, mitgefangen. Der Lehrer/ Chef/ Fahrer weiß, was er tut, also halt die Klappe und sitz still.

Anscheinend haben wir das bereitwillig akzeptiert. Es ist sicherer – und einfacher. Mit dieser Weltsicht sind immer “die da oben” Schuld, und Machtlosigkeit wird zur verführerischen Gewohnheit.

Was für eine Schande.

Im industriellen Umfeld kann der Tausch der eigenen Unabhängigkeit gegen bereitwillige Folgsamkeit  zu höherer Produktivität und damit mehr Erfolg führen. Mit dem Verschwinden dieses Zeitalters lohnt sich unser Verzicht vielleicht nicht mehr.

Das Internet ist ein Werkzeug zum Organisieren, eine Verbindung zu Millarden anderer Menschen. Wir haben eine Tastatur und ein Megaphon bekommen, eine Möglichkeit die Story zu ändern, die Wahl oder die Politik. Die Kompetenz, die aus Kapitalbesitz oder Erfahrung erwächst, ist weniger wert als jemals zuvor, aber wir sind nur zu bereit, uns auf sie zu berufen, selbst wenn wir wissen, dass die Autorität Unrecht hat.

Niemand kann Dich zwingen aufzustehen, Dich zu etwas zu äußern und etwas zu verändern. Aber wenn Du Dich zurückhältst und einfach mitspielst, dann musst Du Dir im Klaren sein, dass alles, was passiert zumindest zum Teil auch geschieht, weil Du es geschehen lässt.

Seth Godin: Authority as an excuse for complacency, 25.11.2013